Wenige Menschen haben bislang eine Tollwut überlebt und trugen dann meist schwere neurologische Beeinträchtigungen davon. Es wurden Behandlungsprotokolle publiziert, die bislang aber kaum erfolgreich angewendet wurden. Aus Amsterdam werden zwei Fälle berichtet, die ebenfalls nicht erfolgreich verliefen.

Eine Autorengruppe um Cornelis A. de Pijper vom Zentrum für Tropen- und Reisemedizin der Universitätsklinik Amsterdam diskutiert den Verlauf von zwei Tollwutfällen, die an ihrer Klinik behandelt wurden und verstarben, und werteten in diesem Zusammenhang publizierte Daten zur Behandlung einer Tollwut in Abhängigkeit von prognostisch relevanten Faktoren aus.

Fallberichte

Ein Mann und eine Frau hatten sich in Haiti beziehungsweise Indien über Hundebisse mit Tollwut infiziert. In beiden Fällen war die Wunde gereinigt worden, eine Präexpositionsprophylaxe war bei beiden nicht durchgeführt worden und nur für die Frau wurde eine Postexpositionsprophylaxe (PEP) berichtet, die allerdings nicht dokumentiert war. Klinisch zeigten beide bei Aufnahme das klassische Bild einer Tollwut mit ausgeprägter Hydrophobie und die Diagnose einer Rabies-Virus(RABV)-Enzephalitis durch das Lyssavirus Genotyp 1 ließ sich durch PCR-Tests anhand von Nackenhautbiopsie, Speichel und Liquor stellen.

Der Mann wurde nach dem modifizierten Milwaukee-Protokoll für Tollwut behandelt, das um supportive Maßnahmen nach rezenten Publikationen ergänzt wurde. Er erhielt humane Rabies-Immunglobuline, es wurde eine Hypothermie und ein tiefes Koma induziert, eine antivirale Therapie eingeleitet und es erfolgten Maßnahmen gegen zerebrale Spasmen.

Die Patientin wurde ebenfalls in ein tiefes Koma versetzt und erhielt antivirale Therapie und Maßnahmen gegen zerebrale Spasmen, aber keine Hypothermie, da multidisziplinär die Einschätzung bestand, dass dies mehr Schaden als Nutzen bedeuten würde.

Beide Betroffene erhielten i.v. und intrathekal zweimal monoklonale Antikörper gegen Rabies, wobei ein experimenteller Mix aus zwei humanen Antikörpern, die gegen unterschiedliche Epitope des Virus gerichtet sind, verwendet wurde. Die i.v. Gabe erfolgt in einer Dosis von 24 μg/kg, die intrathekale Gabe in einer 10mal niedrigeren Dosis von 2,4 μg/kg, wie für andere Antikörper beschrieben.

Die Hirnstammreflexe des männlichen Patienten verschlechterten sich rasch und waren elf Tage nach Therapiebeginn nach Absetzen der Sedativa erloschen. Als lebenserhaltende Maßnahmen eingestellt wurden, verstarb er kurz danach am 24. Kliniktag und 71 Tage nach Exposition.

Bei der Patientin hatte initial die Hoffnung auf einen günstigeren Verlauf bestanden, da eine PEP angenommen wurde. Sie wies bei Einlieferung aber nur einen RABV-neutralisierenden Antikörpertiter von 0,35 IU/ml auf, was unter dem von der WHO definierten Schwellenwert nach Immunisierung von 0,5 IU/ml liegt. Nach vier Tagen wurde das induzierte Koma gestoppt. In den 10 Tagen danach verschlechterte sich ihr neurologischer Zustand kontinuierlich. Nach 14 Tagen waren weder Hirnstamm- noch tiefe Sehnenreflexe nachweisbar. Sie verstarb nach der Beendigung der lebenserhaltenden Maßnahmen am selben Tag (Tag 82 nach Exposition).

Behnadlungschancen

In beiden Fällen war der als entscheidend für eine günstige Prognose beschriebene Faktor – hohe Antikörpertiter in Serum oder Liquor – nicht vorhanden. Trotz supportiver Maßnahmen und der Anwendung mit i.v. und intrathekaler Gabe von monoklonalen Rabies-Antikörpern konnte das Amsterdamer Team keinen Behandlungserfolg erzielen. Die Gabe der Tollwut-Antikörper führte nur unwesentlich zu einem Anstieg der Antikörperspiegel in Serum und Liquor.

 

Fazit:

Die Autorengruppe schlussfolgert, dass möglicherweise höhere Dosierungen der monoklonalen Antikörper gegen das RABV notwendig sind. Experimentelle Therapien machen ihrer Ansicht nach nur Sinn, wenn günstige Prognosefaktoren vorliegen. Bei allen anderen an Tollwut Erkrankten und beim Auftreten prognostisch ungünstiger neurologischer Defizite ist die Einleitung einer palliativen Versorgung die rationalste Strategie.

Quelle:

Autor Studienreferat: Friederike Klein, München